Tobias Becker und Astrid Piethan
Krisenskulpturen, Skulptur/Fotografie, März/April 2020

Die derzeitige Situation zwingt uns dazu, uns in die eigenen vier Wände zurückzuziehen. Das Heimelige des eigenen Zuhauses, so stellt man nach einiger Zeit des forcierten Verweilens fest, ist kein Geschenk, formuliert es sich doch stets in Korrespondenz zum Außen, das auf einmal weggefallen ist. Dem Gewohnten ist das Wohlige genommen, die eigenen Wohnräume verschwimmen langsam aber sicher mit inneren Räumen und Gedankenwelten, die kein Ende finden, da es kein Ende gibt. In diesem aus den Fugen geratenen Alltag übernehmen mäandernde Gedanken die Regie, sie stehen als spekulative Objekte im Raum, aufgeladen, aber ohne Richtung.

Das Modellieren negativer Gussformen in Ton ist eine suchende Tätigkeit. Man arbeitet blind, die Aufmerksamkeit ganz auf den Tastsinn gerichtet, der in diesen Tagen eine seltsame Renaissance erlebt. Im Gipsabguss manifestieren sich die Gesten dieses Suchens. Sie werden als Skulpturen greifbar, erklären sich aber nicht. Im Gegenteil: sie tragen ein weiterführendes und unkontrolliertes Eigenleben in sich, denn sie treten in ein dialogisches Verhältnis zum Raum, der sie umgibt und in dem sie entstanden sind. Als unberechenbare Akteure unterwandern sie alltägliche Rituale und Handlungsabläufe und werden somit zu Protagonisten einer Krise der Verschmelzung physischer und psychischer Räume.